Mäusekot im Toastbrot, Maden in der Nussschokolade, getrocknete Ameisen im Kaffee oder einfach nur Folie auf dem Burger. Jeden Tag finden Verbraucher Fremdkörper oder Verunreinigungen in Lebensmitteln, die dort nichts zu suchen haben.

Grundsätzlich benötigen Sie als Verbraucher in solchen Fällen keinen Anwalt, denn Ihnen ist normalerweise kein großer Schaden entstanden. Den Kaufpreis für das Produkt erhalten Sie in aller Regel auf Anfrage vom Verkäufer erstattet. Anders sieht es nur aus, wenn Sie durch ein derartiges Lebensmittel verletzt wurden oder daran erkrankt sind. Wenn der Glassplitter aus dem Honig Ihren Darm perforiert hat oder Sie nach dem unbeabsichtigten Verzehr von Mäusekot an Toxoplasmose erkrankt sind, haben Sie einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch. Ebenso käme dies in extremen Ekelfällen in Frage, wenn Sie z.B. auf eine skelettierte Ratte gebissen haben oder plötzlich eine lebendige Kakerlake im Mund hatten. Auch in letzteren Fällen dürfte sich das Schmerzensgeld aber in Grenzen halten.

In allen anderen Fällen, in denen zum Glück keine gesundheitlichen Folgen aufgetreten sind, benötigen Sie zwar keinen Anwalt, können aber im Interesse anderer Verbraucher die folgenden Stellen informieren, damit die Produktcharge gegebenenfalls zurückgerufen wird und der Grund für den Fremdkörper aufgeklärt werden kann.

  • Informieren Sie die Verkaufsstelle, insbesondere wenn es sich nicht um ein vorverpacktes Lebensmittel gehandelt hat. Man wird den Fehler dort analysieren, um ihn in Zukunft zu vermeiden. Bei vorverpackten Artikeln, z.B. aus dem Supermarkt wird der Markt in aller Regel außerdem die entsprechende Charge des Produktes sofort aus dem Regal räumen. Außerdem haben Sie ein Recht darauf, einen Ersatzartikel zu erhalten. Meist erhalten Sie einfach Ihr Geld für das Produkt zurück, der Appetit darauf ist Ihnen möglicherweise ohnehin vergangen.
  • Informieren Sie den Hersteller, bei Fremdkörpern in Fertigpackungen hat der Hersteller großes Interesse daran, derartige Vorfälle zu vermeiden. Häufig ist eine falsch eingestellte oder defekte Maschine die Ursache für Fremdkörper. Der Hersteller kann dann häufig ermitteln, welche Chargen des Produktes betroffen sein könnten kann diese aus dem Verkehr ziehen.
  • Informieren Sie die örtliche Lebensmittelüberwachung. Die Lebensmittelüberwachung ist in der Regel bei den Kreisveterinärämtern angesiedelt, in kreisfreien Städten und Stadtstaaten weicht die Bezeichnung ab. Sie können das Produkt für eine nähere Untersuchung als Verdachtsprobe abgeben. Man wird von Seiten der Behörde an den Hersteller herantreten und gegebenenfalls einen Rückruf veranlassen und den Betrieb eventuell einmal mehr kontrollieren, wenn es ein Hygieneverstoß ist. Behörden sind bekanntlich unterschiedlich schnell, daher sollten Sie den Hersteller in jedem Fall parallel informieren. Überlegen Sie sich bitte, ob Sie die Lebensmittelüberwachung wirklich einschalten möchten, wenn der Fehler „nicht so schlimm“ ist. Insbesondere wenn es sich um einen kleinen, regionalen Betrieb handelt, sollten Sie hier mit Augenmaß vorgehen und nicht gleich ein teures und bürokratisches Verwaltungsverfahren einleiten.
  • Verbraucherorganisationen/Presse: Die Einschaltung von Verbraucherorganisationen oder Presse bietet sich in den allermeisten Fällen nicht an, es sei denn, Sie möchten einem Unternehmen bewusst schaden. Dies gilt genauso für Bewertungen im Internet und Kommentare in sozialen Medien. Beachten Sie, dass Unternehmen sich gegen rufschädigende Äußerungen unter Umständen rechtlich zur Wehr setzen und Sie im Ergebnis beweisen können müssen, dass die Äußerungen wahr sind.

Sind Sie als Unternehmen mit einer Verbraucherbeschwerde oder einer Anordnung der Lebensmittelüberwachung konfrontiert, kann der Gang zum Anwalt hingegen sinnvoll sein. In jedem Fall sollte Ihr HACCP-Konzept einen vordefinierten Prozess enthalten, wie mir Verbraucherbeschwerden umgegangen werden soll und auch ein Prozess für den Fall eines möglichen Produktrückrufes sollte definiert werden, damit man im Fall der Fälle sicher agieren kann.

Sollten Sie in lebensmittelrechtlichen Fragen anwaltliche Hilfe benötigen, kontaktieren Sie mich gerne: wenck@rechtsanwalt-wenck.de oder Telefon: 015156068110 (bevorzugt) oder 04179 7509820.

UPDATE 09.06.2021: Mittlerweile habe ich mehrere vergleichbare Fälle gegen JD Sports auf dem Schreibtisch gehabt. Die Mandanten ärgerten sich teilweise schon monatelang mit dem Support herum. Positiv ist, dass in bislang allen Fällen innerhalb weniger Wochen und spätestens nach Zugang des Mahnbescheids gezahlt wurde, nachdem ich tätig geworden bin. Auch die Anwaltskosten wurden von JD Sports ohne größere Schwierigkeiten übernommen.

Manche Firmen scheinen durch Corona unter akuter Überforderungen zu leiden. So offensichtlich auch die JD Sports Fashion Germany GmbH, die neben einem Onlineshop bundesweit Ladengeschäfte mit Markenartikeln aus dem Bekleidungsbereich betreibt.

Der Mandant hatte Anfang Dezember im Store in der Europa-Passage in Hamburg ein Paar Schuhe gekauft und per Karte bezahlt. Da sie nicht vorrätig waren, wurden sie ihm per Paket geschickt. Die Schuhe sollte er bei Nichtgefallen zurückgeben können und den Kaufpreis erstattet bekommen. Dann kam der Lockdown. Der Mandant wandte sich an den Online-Support von JD Sports und man schickte ihm einen Retourenschein für den Versand der Schuhe, da der Store wegen des Lockdowns geschlossen war. Die Schuhe wurde zurückgeschickt und kamen bei JD Sports an.

Soweit ist der Vorgang ziemlich normal. Nun kam aber nicht wie erwartet eine Rücküberweisung, sondern es passierte nichts. Der Support stellte zunächst die Erstattung in Aussicht, gab aber dann an, dass eine Rückzahlung nur über den Store in Hamburg erfolgen könne – der weiterhin geschlossen war. Wohlgemerkt handelt es sich jedenfalls ausweislich des Kassenbons um eine Gesellschaft. Meine Beteiligung am E-Mail-Verkehr genügte nicht, um Bewegung in die Sache zu bringen.

Ich habe daraufhin für den Mandanten einen Mahnbescheid beantragt. Dies führte ganz offensichtlich dazu, dass der Vorgang nunmehr auf dem richtigen Schreibtisch landete und die Erstattung samt Zinsen und Kosten prompt erfolgte.

Für den Mandanten ist die Angelegenheit natürlich glimpflich ausgegangen, er hatte monatelang Ärger das Kostenrisiko der Forderungsdurchsetzung und hat dafür am Ende weniger als einen Euro Verzugszinsen erhalten. Er wird bei JD Sports mit Sicherheit nie wieder etwas kaufen, denn auch und gerade als Verbraucher erwartet man ernst genommen zu werden und nicht erst nach Einschaltung eines Anwaltes und Einleitung gerichtlicher Schritte sein Geld zu bekommen.

Leider ist es kein Einzelfall, dass Verbraucher von Unternehmen nicht ernst genommen und hingehalten werden. Häufig bringt dann die Einschaltung eines Anwaltes schnell Bewegung in die Sache. Dies hat den einfachen Grund, dass der Anwalt in solchen Fällen in der Regel die Kosten seiner Tätigkeit als Schadensersatz beim Unternehmen geltend macht. Reagiert das Unternehmen nicht, muss es mit einer Klage rechnen, was die Kosten weiter erhöhen würde. Daher trifft das Unternehmen dann die wirtschaftliche Entscheidung, den Schaden durch rasche Zahlung zu begrenzen. Wenn der Verbraucher dem Unternehmen selbst hinterhertelefoniert oder schreibt, entstehen in der Regel keine oder nur sehr geringe Zusatzkosten für das Unternehmen, so dass die Hinhaltetaktik wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Viele Verbraucher sind irgendwann nämlich einfach müde oder vergessen die Forderung.

In der aktuellen Situation haben die meisten Verbraucher sicher Verständnis, wenn es bei der Bearbeitung mal etwas länger dauert, da z.B. viele Mitarbeiter im Homeoffice sind und deshalb nicht alle Prozesse in der gewohnten Geschwindigkeit ablaufen. Hier ging es aber nicht um eine (kleine) Verzögerung, sondern einen rechtlich offenkundig falschen Standpunkt, der zu einem Aufschub der Rückzahlung bis auf damals unabsehbare Zeit geführt hätte.

Haben Sie in der Coronakrise vergleichbare Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie gerne einen Kommentar.

Sollten Sie anwaltlich Hilfe bei der Durchsetzung einer privaten oder geschäftlichen Forderung benötigen, kontaktieren Sie mich gerne: wenck@rechtsanwalt-wenck.de Tel. 015156068110 oder 04179 7509820. Bevor Sie sich für eine Beauftragung entscheiden, informiere ich Sie selbstverständlich über die entstehenden Kosten und kann Ihnen möglicherweise eine kostenfreie Ersteinschätzung geben.

Einen anonymisierten Scan des Beschlusses gibt es hier als PDF.

Der Fall

NMN (Nikotinamidmononukleotid) ist eine Substanz, die aktuell in Bezug auf eine mögliche Auswirkung auf den Alterungsprozess hin wissenschaftlich erforscht wird. Es gibt Studien z.B. an Mäusen, die eine positive Wirkung nahelegen, an Menschen laufen aktuell weltweit Studien, die aber noch nicht abgeschlossen sind und deren Ergebnisse insofern nicht bekannt und nicht kritisch überprüfbar sind.

Wegen der vermuteten positiven Wirkung auf den Menschen, wird NMN von manchen Menschen bereits jetzt eingenommen.

NMN lässt sich online über etliche Anbieter beziehen. In der Vergangenheit soll es schon Fälle gegeben haben, in denen gefälschtes NMN verkauft wurde, daher ist hier beim Kauf eine gewisse Vorsicht geboten.

NMN ist unstreitig ein so genanntes Novel Food, also ein neuartiges Lebensmittel, dass vor 1997 in der EU nicht in nennenswertem Umfang als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel konsumiert wurde. Novel Foods dürfen in der EU ohne Zulassung nicht in Verkehr gebracht werden. Für NMN gibt es Stand jetzt keine derartige Zulassung. Daher ist es verboten, NMN als Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel in Verkehr zu bringen.

Die meisten Anbieter bringen NMN auch nicht als Nahrungsergänzungsmittel, sondern als Chemikalie in Verkehr, was grundsätzlich legal ist. Allerdings sind die Anbieter natürlich der Versuchung ausgesetzt, die möglichen Kunden dennoch über die möglichen Vorteile der Einnahme von NMN zu informieren und Dosierungsempfehlungen abzugeben.

In dem Fall, um den es in dem Beschluss ging, vertrieb ein Unternehmen NMN ebenfalls ausdrücklich als Chemikalie. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass es wegen der Novel Food-Verordnung nicht als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden dürfe. Das Produkt wurde außerdem zur sublingualen Einnahme (unter der Zunge zergehen lassen) angeboten und es wurde die eigene Einnahmemenge, sowie die eines Wissenschaftlers angegeben, freilich unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass man damit keine Verzehrempfehlung abgäbe. Außerdem wurde das Einrühren in Joghurt erwähnt.

war zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Aufmachung des Internetauftritts
der Antragstellerin ohne weiteres davon auszugehen, dass das streitgegenständliche
Produkt NMN zum Verzehr durch Menschen bestimmt ist und ein
solcher nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann. Wie das LGL in
seinem Gutachten ausführt, sei das Produkt zur sublingualen Verwendung
und damit zur oralen Aufnahme durch den Menschen bestimmt gewesen und
so angeboten worden. Auch der weitere Verweis im Rahmen der Dosierempfehlung,
welche die Antragstellerin nicht als solche verstanden wissen will,
dass NMN beispielsweise dem Jogurt beigemischt werden könne und auch
die konkret gemachten Mengenangaben sprechen für die Eigenschaft als
Lebensmittel. Die insoweit vorgenommene Formulierung — unter Verweis auf
Prof. Sinclair und die Mitarbeiter _
— stellen bei
verständiger Würdigung in der Sache gerade eine Verzehr- bzw. Dosierempfehlung
dar. Dass lediglich der Konsum durch andere Personen beschrieben
wird, führt zu keiner abweichenden Sichtweise, Denn die gemachten Angaben
sollen eine Verzehr- bzw. Dosierempfehlung darstellen. Die Formulierung
wurde durch die Antragstellerin im Wissen um die Nichtzulassung von
NMN als Lebensmittel gewählt („Wir dürfen Ihnen keine Dosierempfehlungen
geben. Würden wir Dosierempfehlungen geben, könnte das als ein Indiz gewertet
werden, dass wir ein Nahrungsergänzungsmittel vertreiben, und NMN
ist nicht als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen.“) und stellt mithin den
Versuch einer Umgehung lebensmittelrechtlicher Vorschriften dar, der an der
Einordnung von NMN als Lebensmittel nichts zu ändern vermag.

Beschluss VG Würzburg v. 10.03.2021 Az. W 8 S 21.258, S. 20.

Die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde (in der Regel das Kreisveterinäramt) verfügte insbesondere, dass das Unternehmen keine NMN-Produkte mehr verkaufen dürfe (ohne eine ausdrückliche Einschränkung auf Lebensmittel). Diese Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), wogegen das Unternehmen hier vorging (§ 80 Abs. 5 VwGO).

Exkurs ins Verwaltungsrecht: Grundsätzlich kann man gegen einen Verwaltungsakt (z.B. Anordnung einer Behörde) Widerspruch einlegen. Dieser Widerspruch hat aufschiebende Wirkung, d.h. bis zur Entscheidung über den Widerspruch muss man sich nicht an die Anordnung halten. Von diesem Grundsatz kann die Behörde insbesondere bei überwiegendem öffentlichem Interesse abweichen und wie hier die sofortige Vollziehung anordnen. Dagegen ist wiederum ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht möglich, was hier passiert ist. Das Gericht prüft dabei nur summarisch, die spätere gerichtliche Entscheidung, ob die Anordnung rechtmäßig war, kann anders ausfallen. In diesem Fall hat das Gericht sich allerdings in der Begründung schon sehr ausführlich mit der Thematik beschäftigt.

Das rechtliche Problem ist hier also nicht der Verkauf von NMN überhaupt, sondern der Verkauf als Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel sind eine Untergruppe der Lebensmittel).

Man kann sich trefflich darüber streiten, ab wann ein Verbraucher ein Produkt als Lebensmittel betrachtet. Das Verwaltungsgericht Würzburg verfolgt hier eine besonders strenge Linie:

Danach sind Lebensmittel alle Stoffe, die dazu bestimmt sind oder von denen
nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem,
teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen
aufgenommen werden, Der Begriff des Lebensmittels ist dem Schutzzweck
des Gesetzes entsprechend weit auszulegen. Erfasst werden alle Stoffe, die
dazu bestimmt sind, verzehrt zu werden, auch wenn daneben noch ein anderer
Verwendungszweck möglich ist. Ein generell zum Verzehr bestimmter
Stoff hört erst dann auf, Lebensmittel zu sein, wenn ein anderer Verwendungszweck
eindeutig feststeht und erkennbar ist. Eine bloß abweichende
Bezeichnung genügt dafür nicht (vgl. Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas,
Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand 233. EL Oktober 2020, 8 2 LFBG
Rn. 7 ff.). Die primär subjektive Zweckbestimmung durch den verantwortlichen
Lebensmittelunternehmer wird durch die nach objektiver Auffassung zu
bestimmende Frage, ob die Aufnahme des betroffenen Stoffes vernünftigerweise
erwartet werden kann, korrigiert (vgl. Meisterernst, Lebensmittelrecht, 1. Aufl. 2019, 84 Rn. 5). An die Erkennbarkeit einer Zweckänderung sind strenge Anforderungen zu stellen.

Beschluss VG Würzburg v. 10.03.2021 Az. W 8 S 21.258, S. 19.

Zusammengefasst ist alles was zum Essen bestimmt ist oder bei dem Man davon ausgehen kann, dass es gegessen wird ein Lebensmittel, egal wie man es nennt.

Bei NMN kann man allerdings stark bezweifeln, dass man den Verzehr vernünftigerweise erwarten kann, solange es keine entsprechenden Hinweise des Unternehmers gibt, denn eine neuartige Chemikalie mit ungeklärten Auswirkungen auf den menschlichen Organismus wird ein Verbraucher im Zweifelsfall nicht essen. Da selbst Anbieter, die einen Verzehr mehr oder minder offen empfehlen in der Regel darauf hinweisen, dass es sich nicht um ein verkehrsfähiges Lebensmittel handelt, dürfte auch keine dahingehende Verkehrsauffassung bestehen.

Das Unternehmen hat jedenfalls die oben genannten Texte, die zu einer Einschätzung als Lebensmittel geführt hatten vom Internetauftritt entfernt. Damit könnte man argumentieren, entfällt der Grund für das Vertriebsverbot. Das sieht das Verwaltungsgericht zwar anders:

Ein etwaiges Wohlverhalten der Antragstellerin unter dem Eindruck
eines laufenden Verwaltungs- und Strafverfahren (vgl. Bl. 218 f. der
Behördenakte) führt zunächst nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass die
Antragstellerin nunmehr gewillt ist, die lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu
beachten und das Inverkehrbringungsverbot aus diesem Grund ggf. rechtswidrig
wäre (vgl. zur vergleichbaren Thematik im Gewerberecht etwa
BayVGH, B.v. 24.1.2013 — 22 ZB 12.2778 — juris Rn. 7 m.w.N.; allgemein
Brüning in BeckOK, GewO, 52. Edition, Stand: 1.3.2020, 8 35 Rn. 21).

Beschluss VG Würzburg v. 10.03.2021 Az. W 8 S 21.258, S. 22.

Dies kann man meiner Ansicht nach hier aber nicht so stehen lassen, denn die Frage, ob es sich bei geänderter Präsentation noch um ein Lebensmittel handelt, kann nur aus Verbrauchersicht bewertet werden. Daher ist der mögliche Grund (staatlicher Druck) für die Änderung der Produktpräsentation kein sinnvolles Kriterium für die Einordnung als Lebensmittel. Die vom Gericht zitierte Entscheidung bezieht sich auf einen gewerberechtlichen Fall. Dabei geht es um die Zuverlässigkeit/Charaktereignung für das jeweilige Gewerbe. Wenn z.B. ein Wirt in seiner Kneipe mir Drogen dealt, wird man wohl nicht davon ausgehen können, dass er als Gastwirt sofort wieder zuverlässig ist, nur weil er damit aufgehört hat, nachdem er aufgeflogen ist. Hier geht es aber nicht um einen persönlichen Anknüpfungspunkt, sondern um die Einordnung des Produktes. Deshalb wird im Gewerberecht z.B. auch nur dem Wirt der Betrieb seiner Gaststätte untersagt, ein anderer Inhaber/Geschäftsführer kann den Betrieb aber durchaus weiterführen, denn der Betrieb ist (nach entfernen der Drogen und ggfls. einer Grundreinigung) wieder ungefährlich.

Allerdings kommt es nach der Begründung des Gerichts in diesem speziellen Fall auf diesen Gesichtspunkt im Ergebnis nicht an, denn aus der geänderten Präsentation wird noch immer eine Verwendungsbestimmung als Nahrungsergänzungsmittel abgeleitet:

Auch aus dem aktuellen Internetauftritt der Antragstellerin, welcher insbesondere
ausführlich das vorgerichtliche Verfahren mit dem LGL und dem
Landratsamt Würzburg dokumentiert (
zuletzt abgerufen am 9.3.2021) ist zu entnehmen, dass es sich bei NMN im
Ergebnis um ein Produkt handelt, welches dazu bestimmt ist, von Menschen
aufgenommen und verzehrt zu werden. Dort heißt es ausdrücklich:
„Es sei allerdings die Frage erlaubt, mit welchem Recht irgendeine Behörde
es in einem Rechtsstaat wagen kann, Menschen zu verbieten, Chemikalien,
die nicht als gefährlich eingestuft worden sind und deren Verkauf daher keinen
Beschränkungen unterliegt, zu konsumieren, wenn sie das wollen !“

Beschluss VG Würzburg v. 10.03.2021 Az. W 8 S 21.258, S. 22.

Lösungsansätze in der Praxis

Das Gericht gibt auch gleich eine Art Anweisung mit, wie man eine Einordnung als Lebensmittel vermeiden kann:

Dies kann etwa durch äußere Umstände
(z.B. Darreichung in Futtereimern) oder durch stoffliche Veränderung (z.B.
Vergällen, Beizen) geschehen. Entscheidend ist, dass ein Unbeteiligter den
Charakter als Lebensmittel, insbesondere auch als Nahrungsergänzungsmittel,
unschwer ausscheiden kann
(Wehlau, LFGB, 2010, 85 Rn. 56; VG
Würzburg, B.v. 10.2.2021 —W 8 S 21.117 — BeckRS 2021, 2891 Rn. 29). Ein
zum Verzehr durch Menschen bestimmter Stoff hört erst dann auf, ein Lebensmittel
zu sein, wenn eindeutig erkennbar und zweifelsfrei feststeht, dass
der Stoff nicht (mehr) zum menschlichen Verzehr bestimmt ist. Die Möglichkeit,
den Stoff noch zum Essen oder Trinken zu verwenden, muss — anders
als hier — ausgeschlossen sein. Nicht ausreichend ist hierfür die von der Antragstellerin
angedachte Vorgehensweise, NMN als Chemikalie zu bezeichnen
und so zu vertreiben. Andernfalls könnten allein durch eine vom Lebensmittelunternehmer
vorgenommene Bezeichnung bei ansonsten gleichbleibender
Eigenschaft des jeweiligen Produktes, lebensmittelrechtliche Vorschriften,
gerade aus dem „Novel-Food-Bereich“ ohne weiteres umgangen
werden. Das Gericht merkt an, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass bei
entsprechender Veränderung der Aufmachung des Produkts die Lebensmitteleigenschaft verloren geht. Vorliegend braucht aber nicht abschließend
entschieden zu werden, wann dieser Punkt erreicht wird, wann also eindeutig
und zweifelsfrei feststeht, dass der Stoff nicht zum menschlichen Verzehr
bestimmt ist und die Möglichkeit, dass ein Mensch den Stoff doch zum Essen
oder Trinken verwendet, ausgeschlossen ist.

Beschluss VG Würzburg v. 10.03.2021 Az. W 8 S 21.258, S. 23, 24.

Ich würde hier nicht soweit gehen, dass ein Verzehr durch beizen oder vergällen ausgeschlossen werden muss. Dies ist auch bei anderen Produkten mit möglicher Doppeleigenschaft nur aus steuerlichen Gründen (Brennspiritus) der Fall. Was man aber bei einem Produkt, dessen Nahrungsmitteleigenschaft naheliegen ist (was bei NMN zweifelhaft ist, sofern nicht durch konkrete Hinweise des Inverkehrbringers darauf hingewiesen wird) wohl machen sollte, ist eine Kennzeichnung, die eine Lebensmitteleigenschaft für den vernünftigen Verbraucher (manche schnüffeln auch Klebstoff) ausschließt. Dies kann je nach Stoff z.B. eine Gefahrstoffkennzeichnung oder jedenfalls ein Hinweis sein, dass das Produkt nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist. Kein vernünftiger Verbraucher wird sich über einen solchen, deutlich angebrachten Hinweis hinwegsetzen.

Natürlich darf ein derartiger Ausschluss der Lebensmitteleigenschaft nicht durch widersprüchliche Aussagen zu Nichte gemacht werden. So sollte z.B. nicht auf Humanstudien hingewiesen werden (hier zusätzliche Gefahr der Einstufung als Arzneimittel) und es sollten auch keine Konsumberichte verlinkt werden. Überhaupt wäre auch die Verlinkung auf entsprechende Inhalte kontraproduktiv.

Beratungsangebot

Die geschilderte Problematik betrifft aktuell besonders NMN (Nikotinamidmononukleotid), da zu erwarten ist, dass auch andere Lebensmittelüberwachungsbehörden nun tätig werden und sich der ein oder andere aufgeschreckte Wettbewerber eventuell zu eigenen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen veranlasst sieht.

Grundsätzlich gibt es aber bei einer Vielzahl von Produkten, die unter die Novel Food-Verordnung fallen, nicht zugelassen sind und sich prinzipiell als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) vermarkten lassen ähnliche Probleme, die schnell zu einem bösen Erwachen unvorbereiteter Marktteilnehmer führen können.

Das Inverkehrbringen nicht verkehrsfähiger Lebensmittel, Arzneimittel oder Futtermittel ist strafbar und kann im ungünstigsten Fall mit einer Freiheitsstrafe enden.

Gerne stehe ich Ihnen bei lebensmittelrechtlichen Fragen als Anwalt zur Verfügung – gerne auch beratend, etwa vor dem Markteintritt. Neben der Kennzeichnung im engeren Sinne (Etikett) ist wie hier gut zu sehen ist auch die sonstige Präsentation kritisch zu begutachten. Sie erreichen mich per E-Mail unter wenck@rechtsanwalt-wenck.de oder telefonisch unter 015156068110 (bevorzugt) oder 04179 7509820.