Gerade lese ich gehäuft Schreiben und Schriftsätze von Anwaltskollegen (geschlechtsunspezifisch verstanden), die erkennbar nur irgendwelche völlig abwegigen Meinungen und Argumente auf (digitales) Papier rotzen, statt sich mit der Sach- und Rechtslage tiefergehend zu befassen. Teilweise sind die Schreiben durchaus lang – es steht nur nichts Brauchbares drin.

Ich frage mich immer, mit welcher Motivation solche Schreiben verfasst werden. Von Fällen schlichter Unfähigkeit oder Dummheit, die es auch geben mag, abgesehen – was bewegt die Kollegen zu diesen Schreiben?

Momentan mag es zu Leistungseinbrüchen durch Hitzestress kommen, aber abgesehen davon überlege ich immer, wen die Kollegen damit beeindrucken wollen. Wer auf einen gehaltvollen Schriftsatz derart antwortet, kann ja nicht ernsthaft damit rechnen, dass ich mir den Blödsinn durchlese und denke „da fällt mir echt nichts mehr zu ein – also hat der Kollege bestimmt Recht und wir geben auf“. Auch bei Gericht verursachen derartige Schreiben lediglich Arbeitsaufwand ohne Mehrwert für die Erfolgsaussichten – im Gegenteil wird auch der objektivste Richter einem besonders nervigen Prozessbevollmächtigten und dessen Mandantschaft gegenüber unterbewusst eine ablehnende Haltung einnehmen.

Bleibt also als eigentliches „Publikum“ nur der Mandant, dem durch ausufernde, aber inhaltsleere Schreiben, steile Thesen und Behauptungen ins Blaue hinein Fachkompetenz und Engagement vermittelt werden sollen. Außerdem lässt sich eine saftige Rechnung natürlich besser „verkaufen“, wenn man dafür viel beschriebenes Papier vorweisen kann, so dass der Mandant sich mit der Lektüre möglichst überfordert aber gut vertreten fühlt. Ich hoffe für die Gegenpartei dann immer, dass sie kein Zeithonorar vereinbart hat…

Mal ganz ehrlich, wir haben aktuell ein Marktumfeld, bei dem jeder Rechtsanwalt, der nicht reichlich ausgelastet ist wirklich, wirklich etwas falsch macht und insofern auf derartige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht angewiesen sein sollte. Wenn man rechtlich auf verlorenem Posten steht, muss man nicht anfangen Nebelkerzen zu werfen, sondern dem Mandanten dies nachvollziehbar erklären und die verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Vergleich, kostensparende Prozessbeendigung, etc.) aufzeigen. Nur wenn der Mandant dann ausdrücklich möchte, dass trotz erkennbarer Aussichtslosigkeit auch noch nach dem letzten Schatten eines Strohhalms gegriffen und bis zur letzten Seite des letzten unbrauchbaren Belegs gekämpft werden soll, halte ich die oben erwähnten Machwerke anwaltlicher Kreativschreibkunst für angebracht. Es gehört allerdings meines Erachtens zu den wichtigsten Fertigkeiten eines Rechtsanwaltes, den eigenen Mandanten möglichst von derartigen Eskapaden abzubringen, was mir jedenfalls bislang fast immer auch in emotional aufgeladenen Fällen gelungen ist.

Das OLG Düsseldorf , 20 U 83/21 hat entschieden, dass der fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht – wie es auch der Wortlaut des neuen § 14 Abs. 2 UWG vorsieht – für alle Onlineverstöße gilt. Umstritten ist nämlich, ob der fliegende Gerichtsstand in Anlehnung an § 13 Abs. 4 UWG nur für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet und DSGVO-Verstöße abgeschafft werden sollte. Das OLG Düsseldorf argumentiert hier richtigerweise, dass der eindeutige Wortlaut des § 14 Abs. 2 UWG und die Gesetzgebungsmaterialen, insbesondere die Nichtumsetzung eines Vorschlages im Gesetzgebungsverfahren, die beiden Normen anzugleichen, eine analoge Anwendung bzw. Auslegung gegen den Wortlaut ausschließen.

Die Gegenmeinung hat sich mir noch nie erschlossen und war wohl mehr dem Wunsch eines Teils der Anwaltschaft und vielleicht auch einiger im Wettbewerbsrecht „wichtiger“ Gerichte geschuldet, das Forum-Shopping im Wettbewerbsrecht fortsetzen zu können. Schließlich profitieren davon besonders die Wettbewerbskanzleien mit Sitz bei hoch frequentierten Gerichten.

In Anbetracht des digitalen Wandels halte ich es für durchaus verschmerzbar, dass man als Anwalt nicht mehr überwiegend vor dem „Heimatgericht“ klagen und die Gegenseite so zusätzlich mit weiten Anreisen gängeln kann. Viele Verfahren im Wettbewerbsrecht werden sinnvollerweise im schriftlichen Verfahren geführt, da es allein auf Rechtsfragen ankommt und die Beweissituation eher unkritisch und dokumentengestützt ist. Außerdem werden – wenn auch leider nicht von allen Gerichten/Richtern zunehmend Videoteilnahmen an den Verhandlungen zugelassen, so dass lange Reisezeiten und die nicht unerheblichen Reisekosten entfallen und die Prozesse so insgesamt günstiger werden.

Man kann gegen die Entscheidung des Gesetzgebers natürlich einwenden, dass es durch den fliegenden Gerichtsstand eine höhere fachliche Spezialisierung bei einzelnen Gerichten gibt. Das ist sicher richtig, zugleich wurden so aber wenige Gerichte „meinungsgebend“, was der dynamischen Entwicklung der Rechtsprechung nicht unbedingt zuträglich war. Ohne fliegenden Gerichtsstand müssen sich die Gerichte mit mehr unterschiedlichen Meinungen anderer Gerichte auseinandersetzen, und können weniger in ihrer eigenen Rechtsprechungsblase agieren. Eine frische Sichtweise ist mitunter nicht verkehrt und auch Richter an den bislang weniger frequentierten Gerichten haben gute Argumente und sind in der Regel nicht blöd.